Andreas Varesi im Gespräch mit Dominik Chytry
Andreas Varesi:
Lieber Dominik Chytry, erst einmal ganz herzlichen Dank, dass du dich bereit erklärt hast, uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Du hast ja bei uns bei der eMobile Academy die Ausbildung zum DEKRA-zertifizierten Projektmanager Elektromobilität absolviert. Da stellt sich natürlich die erste Frage: Was bringt dir das Ganze jetzt in deinem beruflichen Alltag? Du hast ja, glaube ich, sehr intensiven Kontakt zum Thema.
Dominik Chytry:
Ja, erstmal vielen Dank, Andreas, für die Einladung und die Möglichkeit, mich und unseren Ladepark von Sortimo im Rahmen dieses Interviews zu präsentieren. Genau, im letzten Jahr habe ich an eurer Weiterbildung zum Projektmanager Elektromobilität teilgenommen. Ich kann sagen, dass ich das Gelernte direkt anwenden kann, da wir uns nicht nur mit E-Mobilität, sondern auch mit Energie im Allgemeinen beschäftigen. Wir haben ein großes Projekt gestartet, nämlich die Zertifizierung nach ISO 50001, die ein umfangreiches Anforderungsprofil mit sich bringt. Das ist ein klassisches Beispiel für Projektmanagement, bei dem ich gerne auf die Tools und Methoden zurückgreife, die ich in deinem Kurs kennengelernt habe. Mit reinem universitärem Wissen kommt man in der Praxis oft nicht weit, deswegen war dein Kurs die perfekte Ergänzung, um das Ganze auch noch einmal praxisnah und lebendig zu gestalten – mit Anwendungen, die im Berufsalltag wirklich relevant sind.
Andreas Varesi:
Super. Du sagst ISO 50001 – das heißt, ihr seid vom Energieeffizienzgesetz betroffen und habt wahrscheinlich die Grenze von 7,5 Gigawattstunden pro Jahr überschritten?
Dominik Chytry:
Ganz genau, das war einer der Auslöser. Das Thema Energiemanagement stand schon lange auf unserer Agenda, aber das Energieeffizienzgesetz hat uns letztlich dazu veranlasst, die Umsetzung eher kurzfristig als mittelfristig in Angriff zu nehmen.
Andreas Varesi:
Das wird sicherlich noch viele Unternehmen in Deutschland treffen, die noch gar nicht wissen, dass sie die 2,5 oder 7,5 Gigawattstunden überschreiten – oft ist der Fuhrpark der größte Energieverbraucher, was häufig übersehen wird. Eine kurze Anekdote: Die BAFA hatte mit 12.400 Betrieben in Deutschland gerechnet, das Bundeswirtschaftsministerium hat diese Zahl jetzt auf 55.000 Unternehmen nach oben korrigiert.
Dominik Chytry:
Da kommt natürlich einiges auf die verschiedenen Beratungsfirmen zu.
Andreas Varesi:
Ja, für unsere Schulungsfirma ist das natürlich auch ein großes Thema. Das ist auch wichtig, da uns die ganzen Förderstopps der letzten Jahre ziemlich getroffen haben. Wie sieht es bei euch aus? Spürt ihr in euren Projekten die Förderstopps oder eher weniger?
Dominik Chytry:
Ich würde sagen, wir sind zum Glück weniger von diesen Förderstopps betroffen, insbesondere weil wir mit dem Sortimo Ladepark – auch bekannt als Sortimo Innovationspark – schon relativ früh dran waren. 2021 haben wir die erste Bauphase abgeschlossen, und zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Förderstopps zu befürchten. Seitdem sind wir im Tagesgeschäft unterwegs. Der Vorteil, früh genug angefangen zu haben, bedeutet, dass wir keine Verschiebungen oder Budgetkürzungen befürchten müssen. Allerdings merkt man im privaten Bereich schon, dass Menschen die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs eher hinauszögern, da der Bonus weggefallen ist und die Finanzierung dadurch schwieriger wird. Es gibt also durchaus eine spürbare Verzögerung beim Hochlauf der Elektromobilität.
Andreas Varesi:
Aber eure Projekte sind davon nicht betroffen? Neben dem Energieeffizienzgesetz gab es ja noch eine Reihe weiterer Gesetze, die letztes oder Anfang dieses Jahres in Kraft getreten sind, wie die Alternative Fuels Infrastructure Regulation. Welche dieser Gesetze haben euch am meisten betroffen, und wo müsst ihr eventuell noch nachjustieren?
Dominik Chytry:
Ja, du hast gerade die sogenannte AFIR angesprochen. Das ist etwas, das wir relativ gelassen beobachtet haben, weil wir am Sortimo Innovationspark das Thema Ad-hoc-Laden, oder punktuelles Aufladen, schon frühzeitig in unser Portfolio aufgenommen haben. Unser Credo ist es, fernab von vertraglichen Bindungen das punktuelle Aufladen zu ermöglichen. Deshalb haben wir schon vor zwei, drei Jahren ein zentrales Terminal installiert, an dem man mit klassischen Zahlungsmitteln wie Kreditkarte, Girokarte oder digitalen Lösungen wie Apple Pay, Google Pay oder über die Smartwatch den Ladevorgang starten und bezahlen kann – was jetzt in der AFIR gefordert wird. Wir hatten also keinen Umrüstungsstress und sind in unserer Arbeit bestätigt worden.
Andreas Varesi:
Also sollten sich all diejenigen, die einen AFIR-konformen Ladepark sehen wollen, mal auf den Weg zu euch nach Zusmarshausen machen?
Dominik Chytry:
Ganz genau, ja.
Andreas Varesi:
Wenn wir uns die EU-Gesetzgebung im Allgemeinen anschauen, schwanken die Vorschriften zwischen erheblichen Verschärfungen und Rücknahmen. Zum Beispiel gibt es die novellierte Gebäuderichtlinie EPBD, die spätestens 2026 ins Deutsche Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG) integriert wird, wodurch viel mehr Ladeinfrastruktur bei größeren Parkplätzen gefordert wird. Auf der anderen Seite haben wir die Diskussion um das Verbrennerverbot, das 2035 doch wieder gekippt werden soll. Wie geht ihr bei euren langfristigen Projekten mit dieser Unsicherheit um?
Dominik Chytry:
Ja, wie du sagst, das ist immer ein Spagat, den man absolvieren muss. Man kann es wunderbar in der Presse oder auf LinkedIn verfolgen: mal hü, mal hott in der Politik, was sich natürlich auch auf die Industrie überträgt. Gerade die Automobilhersteller müssen sich immer wieder neu ausrichten, mal ist es „electric only“, dann wieder „electric maybe“ – ein Begriff, den ich kürzlich gelesen habe und ganz passend finde. Wir müssen diesen Spagat zum Glück nicht als Erste bewältigen. Wir sind relativ früh „all in“ gegangen, was die Elektromobilität betrifft, mit einem Ladepark, der 76 Ladepunkte umfasst. Und wenn man die weiteren Ausbaustufen betrachtet, können wir noch mehr bieten. Ich würde sagen, wir haben uns frühzeitig klar für die Elektromobilität positioniert, sowohl was den Ladepark als auch die Elektrifizierung unseres Fuhrparks betrifft. Natürlich beobachtet man das Marktgeschehen und die Verschärfungen genau, insbesondere was unsere Niederlassungen betrifft und die Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz, die weitere Ladepunkte in den Niederlassungen betreffen. Aber ich denke, die negative Stimmung wird sich wieder legen, insbesondere was den Versuch betrifft, die E-Mobilität klein zu machen.
Andreas Varesi:
Das führt uns gleich zur nächsten Frage: Ihr habt noch einige Ausbaustufen bei euch geplant. Merkt ihr innerhalb der Entscheidungsstrukturen, dass es jetzt vielleicht heißt, „Macht mal langsam“ oder „Lasst uns das auf Eis legen“, oder seid ihr weiterhin im „All in“ und zieht das durch?
Dominik Chytry:
Wir sind weiterhin voll überzeugt und haben daher keine Eile, was die Ausbaustufen angeht. Ich hatte erwähnt, dass wir 76 Ladepunkte haben, das ist schon eine Hausnummer. Wir müssen nicht unbedingt noch in diesem oder im nächsten Jahr erweitern, aber grundsätzlich haben wir das vor. Vor allem beschäftigen wir uns mit kleineren Projekten oder Kooperationen, die alle e-mobilitätsbezogen sind. Unsere Dienstleister und Partner ticken ähnlich wie wir, sodass wir nicht erst jemanden von der E-Mobilität überzeugen müssen – wir sind alle auf einer Wellenlänge. Das macht die Arbeit umso einfacher. Wenn es also schlechte Stimmung gibt, dann betrifft das eher die Bürokratie, wo oft unnötige Hürden aufgebaut werden, obwohl eigentlich alle in Deutschland dasselbe Ziel verfolgen.
Andreas Varesi:
Ja, das leidige Thema Bürokratie. Obwohl sich einiges schon verbessert hat, wie zum Beispiel bei der überragenden öffentlichen Bedeutung von Photovoltaik, gibt es immer noch viele unnötige Hürden. Wo siehst du in den nächsten ein bis drei Jahren die Zukunftsthemen, die euch in euren Projekten am meisten beschäftigen werden? Ihr habt ja schon viel erreicht, sogar eine Nio-Batteriewechselstation am Standort und Megawatt-Charging. Ich frage mich, welche Innovationen bei euch noch nicht umgesetzt sind.
Dominik Chytry:
Ich glaube, das Thema, das die Branche am meisten beschäftigen wird, ist Plug & Charge, also die Vereinfachung des Ladevorgangs. Man kann von Elon Musk halten, was man will, aber Tesla macht es vor, wie einfach ein Ladevorgang sein kann, und alle anderen hinken deutlich hinterher. Das ist etwas, das wir auch am Ladepark anbieten möchten – sämtliche Autorisierungsstufen wegfallen zu lassen, indem Plug & Charge flächendeckend etabliert wird. Ein weiteres Zukunftsthema wird das bidirektionale Laden sein. Ich bin gespannt, welche bürokratischen Hürden uns da noch erwarten. Abseits der Technik ist es für uns als Ladeparkbetreiber auch interessant zu sehen, wie der Kunde von morgen tickt. Welche Angebote müssen wir an einem Ladepark der Zukunft bereitstellen? Geht es um gastronomische Angebote, Convenience oder sind es eher Geschäftsreisende, die während der Ladepause arbeiten möchten? Das ist spannend für uns zu sehen, wie sich der Markt entwickelt.
Andreas Varesi:
Das hört sich wirklich spannend an, vor allem in Bezug auf bidirektionales Laden und die Rolle, die es im Smart Grid spielen könnte. Vielen Dank, Dominik, für diese Einblicke in eure Projekte und die Herausforderungen, denen ihr euch stellt.
Dominik Chytry:
Danke dir, Andreas. Es war mir eine Freude, mich mit dir zu unterhalten.