Andreas Varesi im Gespräch mit Wolfgang Huber
Andreas Varesi: Lieber Wolfgang Huber, zunächst einmal vielen herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein kleines Interview zu geben. Du hast ja bei uns die Ausbildung zum DEKRA-zertifizierten Projektmanager Elektromobilität absolviert. Da stellt sich natürlich gleich die erste Frage: Wie nutzt du diese Ausbildung bisher in deinem aktuellen Job? Was bringt sie dir konkret?
Wolfgang Huber: Also, nutzen würde ich sie gerne praktisch, und sie bringt mir definitiv etwas, da Projektmanagement eine Disziplin ist, die auch übergreifend wirksam ist. Die Spezialisierung auf Elektromobilität und alternative Antriebe habe ich damals abgeschlossen – das ist ja gar nicht so lange her –, um mich in meinem Unternehmen, einer sehr großen Autohandelsgruppe, um die Ladeinfrastruktur zu kümmern, insbesondere um öffentlich zugängliche Ladestationen. Dazu gehört auch die Sektorenkopplung und der Aufbau von solargekoppelten Ladestationen für unsere Lagerfahrzeuge und E-Fahrzeuge. Es gibt viele Ideen, die sehr realistisch sind, aber umgesetzt werden müssen. Dafür braucht man jemanden, der komplexer denken kann, das Ganze umsetzen kann und natürlich auch ein Unternehmen, das bereit ist, in diese Richtung zu investieren, da es eine Investition in die Zukunft ist. Aktuell sind leider alle Projekte gestoppt. Wir erleben im Moment eine wirtschaftliche Krise, mit hohen Zinsen und einem Transformationsprozess im Autohandel. Pkw sind schwer zu verkaufen, daher liegt der Fokus derzeit auf dem Verkauf, und ich stehe quasi in der Warteschleife. Zurück in die Produktion kann ich jedoch nicht mehr, dafür ist die Reißleine schon zu lange gezogen.
Andreas Varesi: Da hast du wohl von der „Droge“ Elektromobilität zu viel abbekommen. Das war eigentlich schon fast die Antwort auf meine zweite Frage: Wie sehr haben dich die diversen Förderstopps der letzten Monate getroffen? Mussten deshalb Projekte abgesagt oder deutlich heruntergeschraubt werden? Vielleicht kannst du noch ein paar ergänzende Worte dazu sagen, was du vorhin schon angesprochen hast.
Wolfgang Huber: Die Förderstopps haben jeden betroffen, der in irgendeiner Form mit Elektromobilität zu tun hat, sei es im Autoverkauf oder beim Aufbau von Ladeinfrastruktur. Das hat uns natürlich auch getroffen, denn es war ein falsches Signal. Es geht gar nicht so sehr um das Geld, das dann nicht mehr fließt, sondern um die Planungssicherheit. Dieser akute Förderstopp, dessen Gründe wir kennen – der Haushaltsentwurf wurde als verfassungswidrig eingestuft, es ging nicht anders –, war ein notwendiger Schritt. Man schiebt das gerne ans Wirtschaftsministerium, aber sie konnten nicht rechtswidrig handeln und mussten diesen harten Schritt gehen. Das Problem ist das Signal, das dadurch ausgesendet wurde: „Wir glauben nicht daran!“ Das ist ein katastrophales Signal, denn es unterbricht den Transformationsprozess, und solche Unterbrechungen und Unsicherheiten kosten unglaublich viel Geld, Ressourcen und vor allem Vertrauen. Das muss man jetzt langsam und mühsam wieder aufbauen, und das ist auch eine Aufgabe, der ich mich verschrieben habe.
Andreas Varesi: Da komme ich gleich zur nächsten Frage: Wir haben ja auch erlebt, dass nicht nur Förderzusagen schlagartig abgewürgt wurden, sondern auch zahlreiche neue Gesetze verabschiedet wurden bzw. in Kraft getreten sind. Zum Beispiel der Paragraph 14a EnWG oder die Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR), die beide teilweise mit wahnsinnig kurzen Vorlaufzeiten von wenigen Tagen in Kraft traten. Gab es Projekte bei euch, die dadurch betroffen waren, und musstet ihr deswegen kurzfristig Anpassungen vornehmen?
Wolfgang Huber: Betroffen hat es uns letztendlich nicht, weil das aktuelle Projekt, das ich im Bereich der öffentlichen Ladeinfrastruktur komplett planungsfertig habe – was leider aus finanziellen Gründen gestoppt wurde – bereits nach der Veröffentlichung der AFIR geplant wurde. Ich konnte also schon sehr genau kalkulieren, wo die Reise hingeht, sowohl was die Hardwareanbindung angeht als auch die gesamte Software-Umgebung. Das war also kein Problem. Ich konnte sehr schnell reagieren, und wenn es die Möglichkeit gibt, solche Projekte wieder aufzunehmen, kann ich diese neuen Anforderungen genau berücksichtigen. Paragraph 14a EnWG, das Gesetz zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, ist klar. Es ist ein wichtiges Gesetz. Man muss den Hintergrund verstehen, warum so etwas überhaupt in Gesetzesform gegossen wird, weil es einfach eine physikalische Notwendigkeit ist. Diese physikalische Notwendigkeit in einen rechtlichen Rahmen zu gießen, davon bin ich ein großer Freund, denn das schafft Rechtssicherheit – und das muss man verstehen.
Andreas Varesi: Das hast du wirklich wunderbar erklärt und dabei auch ein bisschen die Lanze für das Wirtschaftsministerium gebrochen. Diese Entscheidungen fallen ja nicht einfach aus dem Himmel, und der Wirtschaftsminister steht nicht morgens auf und denkt sich: „Heute stoppe ich mal ein paar Förderprogramme.“ Es gibt immer irgendwo einen Handlungszwang oder eine Notwendigkeit dahinter. Wir sehen das ja auch gerade bei der Europäischen Union, die zwischen deutlichen Verschärfungen schwankt, wie z.B. dem Zwang zum Aufbau von Ladeinfrastruktur, insbesondere in der novellierten EU-Gebäuderichtlinie EPBD, die ab 2026 ins deutsche Gebäude-Elektromobilitäts-Infrastrukturgesetz (GEIG) integriert werden muss. Auf der anderen Seite gibt es die leidigen Diskussionen um die Abschaffung des sogenannten Verbrennerverbots, was natürlich wahnsinnig viel Unsicherheit mit sich bringt. Wie gehst du in deinen Projekten grundsätzlich mit diesen unscharfen Vorgaben von politischer Seite um?
Wolfgang Huber: Also, im Grunde genommen ist es so, dass ich trotz gestoppter Projekte weiterhin versuche, meine Kompetenzen im Bereich Elektromobilität für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Es geht vor allem darum, diese Unsicherheiten, die durch solche Dinge wie das Verbrennerverbot und die Diskussionen um synthetische Kraftstoffe wie HVO100 und eFuels entstehen, aufzuklären. Denn das ist nichts anderes als das Streuen von Unsicherheit. Vielleicht klingt das jetzt etwas verschwörungstheoretisch, aber ich sehe darin den Versuch, die Lebenszeit fossiler Infrastrukturen zu verlängern. Egal, was man macht, es läuft immer auf die gleiche Geschichte hinaus: „Wir haben nicht genug Grünstrom, also lohnt es sich gar nicht, ein Elektroauto zu kaufen.“ Oder: „Es gibt ja eFuels und HVO100 aus Frittenfett, das machen wir alles.“ Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt – ich bin ein großer Freund des physikalischen Herangehens –, dann erkennt man, dass das alles nur Nebelkerzen sind. Es ist wirklich wichtig, dieses Wissen weiterzugeben und den Leuten den Grund dafür zu vermitteln, warum wir diese Elektromobilität verdammt noch mal vorantreiben müssen. Das ist momentan meine Hauptaufgabe, quasi Marketing für die Zukunft zu machen. Ich hoffe, dass ich in irgendeiner Form wieder in meinen Bereichen Ladeinfrastruktur und Sektorenkopplung weitermachen kann. Aber bis dahin werde ich die Zeit nutzen, um aufklärerisch tätig zu sein und unsere Verkäufer sowie die Kunden zu unterstützen, damit sie bei der Entscheidung für ihr nächstes Fahrzeug die richtige Wahl treffen.
Andreas Varesi: Du hast es gerade so treffend gesagt: Es ist wirklich ein Kampf der Systeme, und da gebe ich dir vollkommen recht, was diese Verschwörungstheorie betrifft. Es hat in früheren Jahrzehnten Kriege ums Öl gegeben, warum sollte die fossile Welt jetzt einfach sang- und klanglos beiseitetreten und der E-Mobilität den Vortritt lassen? Es war klar, dass uns hier einiges an Gegenwind entgegenschlagen wird. Momentan überwiegt wieder das „Zurück zum Guten Alten“. Die Stimmung gegenüber E-Mobilität hat sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert, und einige Medien, gerade Boulevardblätter, haben hier auch immer wieder Öl ins Feuer gegossen. Das führt natürlich auch immer mehr zu Konflikten bei deinen Projekten. Wo treten diese Konflikte am meisten auf und welche Auswirkungen haben sie für dich?
Wolfgang Huber: Hauptsächlich treten die Konflikte in der Finanzierbarkeit auf. Diese Planungssicherheit, die man braucht, um Projekte finanzieren zu können und auch einen ROI (Return of Investment) in irgendeiner Form kalkulieren zu können, ist gerade bei der erstmaligen Implementierung oder Installation solcher Projekte in einem Unternehmen entscheidend. Wenn diese Unsicherheiten vorhanden sind, fällt es einem massiv auf die Füße. Allein das Geld zu beschaffen, um z.B. ein komplettes Projekt durchzuführen, wie das Aufstellen eines Schnellladers – der Kostenvoranschlag für das letzte Projekt lag bei etwa 75.000 Euro. Das hört sich wenig an, wenn man ein großer Autohändler ist, aber es liegt außerhalb des klassischen Verdienstmodells. Es ist nicht eine der vier Säulen, von denen man lebt – Autoverkauf, Werkstatt, Teile sowie Finanzierung –, sondern ein komplett neues Geschäftsmodell. Wenn dann gesagt wird, „Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, wir müssen unsere Zinslast reduzieren und unsere Bestandsware verkaufen“, dann sind diese Unsicherheiten ein echtes Problem. Ein großes Problem sind auch die Leasing-Rückläufer bei Elektroautos. Viele dieser Probleme wurden durch die Elektromobilität herbeigeführt, aber sie sind das Ergebnis von Unsicherheiten und Desinformation, insbesondere durch große Boulevardmedien. Es ist wirklich haarsträubend, was da an Desinformation existiert oder an überholtem Wissen weiterverbreitet wird.
Andreas Varesi: Das sind wirklich Herausforderungen, mit denen wir bei der eMobile Academy auch immer wieder kämpfen. In unseren Beraterkursen thematisieren wir immer wieder diese „Stammtischmeinungen“. Wie gehen wir damit um? Auch im Projektmanagerkurs. Jetzt noch eine Frage: Wie siehst du die Zukunft? Ist sie wirklich so düster, wie manche Boulevardblätter es darstellen, oder siehst du in den nächsten ein bis zwei Jahren neue Themen rund um die E-Mobilität, die für dich als Projektmanager Potenzial bieten? Was erwartest du persönlich?
Wolfgang Huber: Wir haben im Grunde genommen ein Marketinginstrument, das nichts kostet und immer da ist – den Wetterbericht. Eigentlich ist es ein schlechtes Marketinginstrument für generelle Elektrifizierung und Dekarbonisierung, aber es zeigt die Notwendigkeit. Das Jahr 2024 ist das erste Jahr, in dem sich die klimaschädlichen Emissionen massiv auswirken, in Form von Starkregenereignissen, Hagel, Stürmen und Hitzewellen. Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo eine Katastrophe durch die Nachrichten geht, die viele Menschen betrifft und Angst und Sorge auslöst. Die Ursache sind klimawirksame Emissionen, hauptsächlich CO2 und Methan aus Verbrennungsprozessen. Irgendwann muss es auch der Letzte begreifen, dass wir nichts mehr verbrennen dürfen, um den Klimawandel halbwegs in den Griff zu bekommen. Zurückdrehen können wir ihn sowieso nicht mehr, das ist vorbei. Aber eine weitere Erwärmung des Klimas wird große Teile der Erde unbewohnbar machen. Das heißt, wir müssen die fossile Verbrennung stoppen, generell alle Verbrennungsprozesse, wo sie substituierbar sind, durch Elektrifizierung und Effizienzmaßnahmen ersetzen. Das ist die Richtung, in die es gehen muss. Elektromobilität wird in der Zukunft die einzige Möglichkeit sein, noch individuell mobil zu sein, insbesondere mit neuen Fahrzeugen. Selbst habe ich noch ein großes Herz für alte Fahrzeuge, von mir aus auch mit einem V8-Motor, das kann als Hobby bestehen bleiben, das macht das Kraut nicht fett. Aber es ist die Alltagsmobilität, wo das CO2 rausgeblasen wird – in der Logistik, beim Pendeln, bei Urlaubsfahrten. Wenn man allein sieht, dass der Verkehrssektor in Deutschland nach letzter Erhebung 22% der klimaschädlichen Emissionen ausmacht, und das trotz der THG-Quoten, dann ist da ein großer Hebel. Und da müssen wir ran. Es geht nicht darum, den Leuten das aktuelle Auto zu verbieten und zu sagen: „Nein, du darfst das nicht mehr fahren.“ Das wäre kontraproduktiv. Es geht darum, keine neuen Fahrzeuge mit Petroleumantrieb mehr zu verkaufen, denn jedes neue Fahrzeug verlängert den Bedarf an fossilen Kraftstoffen, die verbrannt werden. Und das bedeutet wiederum mehr Emissionen und mehr Klimaerwärmung. Diese Schleife muss man durchbrechen. Deswegen bin ich optimistisch, dass aufgrund der massiven Klimaänderungen irgendwann internationale Rahmenbedingungen geschaffen werden, die uns zwingen, diesen Kurs zu ändern.
Andreas Varesi: Absolut, das kann ich nur bestätigen. Ich habe gestern eine kleine Motorradtour gemacht und früher, wenn ich im August unterwegs war, musste ich mein Visier gründlich reinigen, weil es voller toter Insekten war. Und jetzt? Nichts mehr. Das zeigt, unabhängig von den 33 Grad, bei denen ich gefahren bin, wie dramatisch die Auswirkungen des Klimawandels bereits sind – nicht nur in Form von Erwärmung, sondern auch in Form eines massiven Artensterbens. Deshalb sind auch Themen, die aktuell in den Medien noch nicht so präsent sind, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU und das Energieeffizienzgesetz (EnEfG), extrem wichtig. Beide Regelwerke zielen auf Dekarbonisierung und Energieeinsparung ab und verpflichten Unternehmen, diese Themen ernst zu nehmen. Allein wenn man bedenkt, dass etwa 50% des Energieverbrauchs vieler deutscher Unternehmen von ihrer Flotte stammt, wird klar, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren massive Maßnahmen erforderlich sein werden. Das wird auch uns in unseren Projekten stärker entgegenkommen. Meine letzte Frage an dich: Hat dir bei diesen Herausforderungen die Ausbildung zum DEKRA-Projektmanager E-Mobilität weitergeholfen, und wenn ja, in welchen Bereichen? Egal ob Ausbildung oder auch das Netzwerk, das wir drumherum geschaffen haben.
Wolfgang Huber: Es ist beides. Ich würde die Wirkung etwa 50:50 aufteilen. Die Ausbildung selbst hat mir geholfen, die Komplexität zu verstehen, Anhaltspunkte zu liefern, wo man sich immer wieder neu informieren muss, und Informationen zu priorisieren, also was wichtig ist und was weniger wichtig ist. Das hilft auch, eigene Entscheidungen zu priorisieren – welcher nächste Schritt ist für welches Projekt der richtige? Oder sollte ich sogar mein eigenes Arbeitsverhältnis überdenken? All diese Dinge waren in dieser Richtung ausschlaggebend. Der Blick von oben, ein komplexes System in einzelne Arbeitspakete und -schritte zu unterteilen, hilft ungemein, vor allem bei der Elektromobilität mit all ihren gesetzlichen Herausforderungen. Das Netzwerk, das wir aufgebaut haben, ist einfach grandios. Ich war letztes Jahr im September bei der Gründung des Verbands BBNM (Bundesverband Beratung Neue Mobilität e.V.) dabei, erst als Zaungast, dann als Fördermitglied. Für Angestellte und Privatpersonen gibt es eigentlich noch keine richtige Mitgliedschaft, aber das sollte man vielleicht einführen. Ich bin sehr froh, dabei sein zu können. Der Austausch mit den Mitgliedern ist großartig, die regelmäßigen Stammtische mit den Informationen und Vorträgen sind wirklich eine Wissensmacht, die sehr viel ermöglicht, besonders im Hinblick auf die Zukunft. Ich bin sehr optimistisch, dass das noch viel mehr Fahrt aufnehmen wird und noch viel mehr Leute an Bord holen wird, besonders in der Verbandsarbeit.
Andreas Varesi: Super, Wolfgang, dann sage ich ganz herzlichen Dank für das tolle Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg bei deinen Projekten und zukünftigen Plänen. Mach’s gut und bis bald!
Wolfgang Huber: Ja, auch danke, dass ich hier ein wenig plaudern konnte.